Wolfgang Siegfried und Claus Karkotz gucken besorgt in den nordfriesischen Himmel. Gerade ist mal wieder ein kräftiger Schauer über der Sportanlage von Rot-Weiß Niebüll niedergegangen. Jetzt klart es ein bisschen auf, aber bis zum Anpfiff des Spiels der Roma aus Rumänien gegen den FC Oberschlesien dauert es noch über eine Stunde und bis dahin kann das Wetter hier an der Westküste schnell wieder umschlagen.
Zehn Freiwillige an jedem Spielort
Beide Männer tragen ein dunkelblaues Shirt mit dem EUROPEADA-Logo und der Aufschrift Volunteer. „Zehn Leute müssen hier pro Spieltag vom Verein ungefähr helfen“ sagt Sigfried, der die Fußball-Sparte leitet. Und dann haben wir noch zwei Volunteers von der EUROPEADA zugeteilt bekommen.“ Das sei zwar eine Menge Arbeit für den Verein, „aber im Prinzip eine tolle Sache“.
Einer der beiden für diesen Tag von der Organisation gestellten Freiwilligen ist Karkotz, der inmitten des Getriebes eine große Ruhe ausstrahlt. Während es für die Niebüller der erste Spieltag ist, hat Karkotz gestern bereits in Tönning die vier Teams betreut, die hier gleich gegeneinander antreten. So konnte er den Schiedsrichtern schon mitteilen, dass am ersten Spieltag in Tönning alles fair und freundschaftlich zugegangen ist.
„Wo Hilfe gebraucht wird, bin ich da.“
Seine Entspanntheit nimmt Karkotz auch daher, dass er zu den erfahrensten Volunteers dieses Turnieres zählt. Helfen ist sein Hobby und so hat er schon vielen Sportfesten und anderen Events seine unbezahlte Unterstützung zur Verfügung gestellt. EUROPEADA-Projektleiter Ruwen Möller lernte ihn in Hamburg bei der vergangen Handball-Europameisterschaft kennen und fragte ihn, ob er nicht auch bei der EUROPEADA mitmachen wolle.
„Wenn ich am Spielort ankomme, erkundige ich mich immer zunächst, wo Hilfe gebraucht wird“, sagt Karkotz, der in Hamburg lebt und während der EUROPEADA bei Freunden wohnt. „Heute haben wir zum Beispiel die Mannschaften und Schiedsrichter begrüßt und ihnen die Kabinen gezeigt. Ich habe noch Bälle aufgepumpt - wo Hilfe gebraucht wird, bin ich da.“
Ehrenamt mit Leidenschaft
Das ist echtes Ehrenamt und erfordert jede Menge Leidenschaft für die Sache. „Ich war früher aktiver Radsportler und es ist für mich das Wichtigste, dem Sport was zurückzugeben, was ich jahrelang selbst empfangen habe“, sagt Karkotz. Außerdem lerne er durch die Tätigkeit neue Kulturen und Menschen kennen. „Die Menschen sind alle toll, die Friesen sowieso. Ich habe hier noch kein böses Wort gehört. Also, mich macht der Job glücklich.“ Jetzt betreten die Mannschaften den Platz zum Aufwärmen und Karkotz macht schnell ein paar Fotos für die EUROPEADA-Seiten auf den sozialen Netzwerken.
Puzzle-Arbeit in der Zentrale
„Es ist schön, so erfahrene Leute und leidenschaftliche Volunteers an der Seite zu haben wie Claus“, sagt Tim Frogier, der zusammen mit Möller für die Volunteers zuständig ist, in der Einsatzzentrale im Flensborghus. Da nicht alle Vereine die zehn benötigten Hilfskräfte pro Spieltag stellen können und auch noch eigene Kräfte für die Eröffnung und den Kulturtag benötigt wurden, hat die Europeada über eine Anmeldeplattform 50 zusätzliche Volunteers angeworben. Zu denen kamen über persönliche Ansprachen im Laufe der Zeit noch etwas zwanzig hinzu, so dass sich mit den Volunteers in den Vereinen eine Gesamtzahl von etwa 200 eingesetzten Freiwilligen ergibt. „Ohne sie würde das hier alles gar nicht gehen“, sagt Frogier. „Sie sind sehr flexibel und wach und haben ein Interesse daran, dass alles gut läuft.“
Neben der Begrüßung und Einweisung der Mannschaften und Schiedsrichter geht es um ganz praktische Dinge wie etwa das Aufhängen von Bannern. Aber auch besondere Aufgaben wie das Bedienen der Streaming-Kameras und die Stadionansagen müssen erledigt werden. Alle Volunteers konnten angeben, wann sie Zeit haben, an welche Orten sie kommen können und welche Sprachen sie beherrschen. Um sie anhand dieser Angaben passgenau einzusetzen, war eine Puzzle-Arbeit nötig, die laufend nachjustiert werden muss. „Wir betreiben hier Mikromanagement“, sagt Frogier.
Der Sprachenjäger
Beim Ausfüllen der Sprachkenntnisse auf dem Anmeldebogen hat der Platz für Damiano Di Muro wahrscheinlich nicht ausgereicht. Für den Slawistik-Studenten aus München ist es gerade die sprachliche Vielfalt bei diesem Turnier, die ihn für eine Woche in den hohen Norden gezogen hat. Die hat ihn einst auch zu einem der ersten Europeada-Fans gemacht.
„2008 habe ich zufällig im Fernsehen einen Bericht von der ersten Europeada gesehen“, sagt Di Muro. „Da ich schon immer Interesse an Minderheitensprachen und ethnischen Minderheiten hatte, habe ich begonnen, das Turnier im Internet zu verfolgen.“ Das tat er dann auch bei den Folgeturnieren, bis er nun als Volunteer endlich einmal direkt dabei ist. „Mich interessiert vor allem der kulturelle Aspekt“, sagt er. „Dass man so viele Leute aus allen Ecken Europas kennenlernt und die ganzen Sprachen live hört, die man sonst nur aus Büchern kennt.“ Di Muro spricht einige dieser Sprachen sogar selbst - wie Obersorbisch, Dänisch und Nordfriesisch. Lesen kann er immerhin Rätoromanisch und Ladinisch. Als nächstes möchte der Sprachenjäger gern eine indigene Sprache wie Navajo oder Livisch lernen. Klar, dass er nach seinem Masterabschluss auch etwas mit Sprachen machen möchte, am liebsten sogar im Zusammenhang mit Minderheiten.
„Vergiss die Fußball-Europameisterschaft, die Europeada ist das interessantere Turnier.“
Während der Europeada ist Di Muro hautsächlich in der Zentrale im Flensborghus eingesetzt. „Wir rufen zum Beispiel vor den Spielen bei den Plätzen an, ob alles in Ordnung ist. Dann verfolgen wir die Spiele mit und tragen die Ergebnisse auf der Website ein. Dort veröffentlichen wir auch News, Fotos und informative Texte.“
Jetzt wird Di Muro erstmal diesen Text ins Englische übersetzen. Vorher möchte er aber noch eine Botschaft loswerden: „Vergiss die Fußball-Europameisterschaft, die Europeada ist das interessantere Turnier.“