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Dänemark & Deutschland28. Juni - 7. Juli 2024

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Roma, Sinti, Gitanos und der Traum von Toren und Gleichberechtigung – Europas größte Minderheit wird vielerorts noch diskriminiert


Stellen wir uns einen Augenblick vor, es gäbe eine Fußball-Weltauswahl,  die ausschließlich aus Spielern besteht, die in ihren Heimatländern zu der Minderheit gehören, die weltweit unter dem Begriff Roma zusammengefasst werden und die sich in Deutschland als Sinti und Roma bezeichnet.

 

Die  Weltauswahl der Sinti und Roma

Es wäre eine illustre Mannschaft, gespickt mit Weltstars und Weltmeistern, aktiven und ehemaligen. Dass sie nicht zustande kommt, hat nichts mit mangelndem Engagement zu tun, sondern damit, dass die meisten von ihnen ihre Herkunft nicht öffentlich machen.

Möglicherweise, weil sie ihre Privatsache ist, die sie nicht der Mitteilung für wert erachten. Aber vor allem, weil Roma, Sinti, Gitanos, Kale, Manouche oder welcher Gruppe sie auch immer angehören, noch immer in ganz Europa diskriminiert werden. Auch im Fußball, in den Kurven und Logen.  

Hartnäckige Vorurteile

„Über keine andere Minderheit verfügt die Bevölkerung über so wenig Informationen, glaubt aber zugleich, so viel Negatives zu wissen“, sagt der ehemalige deutsche Boxer Oswald Marschall. „Die Vorurteile halten sich hartnäckig und führen dazu, dass sich bis heute auch im Sport kaum Prominente zu ihrer Zugehörigkeit zu der Minderheit bekennen.“

So sind es nur ein paar Spitzen-Fußballer, deren Roma-Herkunft allgemein bekannt ist, wie die des Portugiesen Ricardo Quaresma und die von Jesus Navas vom FC Sevilla.

Umso wichtiger ist es, dass die EUROPEADA bislang jedes Mal ein Roma-Team zu Gast hatte. Bei den bisherigen Turnieren waren es die Roma aus Ungarn, diesmal sind die Roma aus Rumänien angereist, die ihre Mannschaft „zu einer Motivationsquelle für alle jungen Menschen“ ihrer Minderheit machen wollen, wie sie auf Facebook schreiben. Das Team vereine Spieler, „die mit dem Ball schlafen, mit dem Ball aufwachen, die den Fußball leben, essen, atmen und schwitzen, die aber durch verschiedene Umstände machtlos und allein mit ihrem Traum sind“.

EUROPEADA-Vortrag über Antiziganismus

Kein eigenes Team stellen die deutschen Sinti und Roma – sie verfügen nicht wie die anderen Minderheiten, die die EUROPEADA 2024 ausrichten, über eigene Clubs oder Schulen, aus denen sie Spieler rekrutieren könnten.  Trotzdem ist auch für sie die Europeada ein bedeutendes Ereignis. „Das ist eine ganz wichtige Veranstaltung, wo wir sichtbar machen können, dass wir  als autochthone Minderheit Teil  dieser Gesellschaft sind und in diesem Land schon seit über 600 Jahren leben“, sagt Rolf Schlotter vom Verband Deutscher Sinti und Roma in Schleswig-Holstein.

Schlotter wird am Dienstagnachmittag (2. Juli, 15 Uhr) im Flensborghus einen Vortrag über das Leben und die Geschichte der Sinti und Roma halten. Einen großen Raum wird leider das Thema „ Antiziganismus“ einnehmen. So unterschiedlich die Kultur und Geschichte der größten europäischen Minderheit in ihren jeweiligen Heimatländern ausgeprägt ist, eines eint sie alle:  die Erfahrung von Verfolgung und Diskriminierung. Diese erreichte ihren entsetzlichen Höhepunkt in der Zeit der Nazi-Herrschaft in Deutschland (1933-1945), als in ganz Europa etwa 500 000 Roma und Sinti ermordet wurden. Es gibt keine Familie, die nicht noch immer unter der Ermordung und Traumatisierung ihrer Vorfahren leidet.

FUEN fordert Solidarität mit den Roma

Die Diskriminierung hält bis heute in unterschiedlichen Ausformungen an. In ihrer Eisenstädter Erklärung von 2019 hat die Föderalistische Union europäischer Volksgruppen (FUEN) zur Solidarität mit den Roma  aufgerufen. Unter anderem heißt es darin: „Die zehn bis zwölf Millionen Roma in Europa leben in ihrer übergroßen Mehrheit in bitterer Armut. Sie werden bis heute vielfach unterdrückt, oft verachtet oder diskriminiert und sind in einigen Regionen Opfer rassistischer Anfeindungen. (…) Die FUEN bekennt sich zur Solidarität mit den Roma.“

Und dann folgt ein Satz, der wie maßgeschneidert für die EUROPEADA ist: „Im Wege des gegenseitigen Kennenlernens kann eine von Respekt und gegenseitigem Verständnis getragene solidarische Verbindung von Angehörigen der Roma mit den Vertretern anderer Minderheiten entstehen. Durch gemeinsames Auftreten und eine gemeinsame Artikulation von Interessen würde die ablehnende Haltung gemildert, die den Roma immer noch als erstes entgegenweht, wenn sie isoliert auftreten.“

Engagierte Schüler errichten ein Mahnmal

Die deutschen Sinti und Roma sind inzwischen als nationale Minderheit offiziell anerkannt. Ihre Organisationen und Verbände arbeiten erfolgreich für gleichberechtigte Teilhabe, Bewahrung ihrer Kultur  und die Anerkennung ihrer Verfolgungsgeschichte. Dennoch gibt es auch in Deutschland weiterhin Alltagsdiskriminierungen und antiziganistische Gewalttaten. Ein besonders verächtliches Beispiel mussten die Sinti in Flensburg vor ein paar Wochen erleben.

Dort hatten Schüler und Lehrer der privaten Waldorfschule vor ein paar Jahren herausgefunden, dass ihre Schule an einem geschichtlich denkwürdigen Ort errichtet worden ist. Auf dieses Gelände waren die Flensburger Sinti in der Nazizeit zunächst zwangsumgesiedelt worden, um sie 1940 in Zwangsarbeits- und Konzentrationslager im heutigen Polen zu deportieren. Auf Initiative der Schule wurde dort im September 2023 eine Gedenkstele errichtet, die an die 44 deportierten Sinti  erinnert, von denen 22 die Lagerzeit nicht überlebt haben. 

„Um Ziele und Ideale betrogen“

Dieses Mahnmal ist vor wenigen Wochen zerstört worden, indem die Stele aus der Verankerung gerissen und etwa hundert Meter weggeschleppt wurde. Die Polizei sieht laut der Zeitung taz einen „politisch motivierten Tathintergrund“, das Fachkommissariat für Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

„Die Zusammenarbeit mit den Schülern der Schule war perfekt“, sagt Rolf Schlotter.  „Deswegen war ich besonders entsetzt, als ich von der Zerstörung hörte. Es war uns wichtig, uns erstmal um die zu kümmern, die die Initiatoren des Mahnmals waren. Die sind um ihre Arbeit,  ihre Ziele, ihre Wünsche und um ihre Ideale betrogen worden.“ 

Gelegenheit zum Gespräch und Kennenlernen

Im September soll die Gedenkstele an ihrem alten Ort neu errichtet werden. In seinem Europeada-Vortrag am 2. Juli wird Rolf Schlotter näheres darüber erzählen. Vor allem wird er aber mit allen Vorurteilen aufräumen, die es über Sinti und Roma immer noch gibt. „Kaum einer kennt einen Sinto“, sagt er. „Aber jeder weiß, wie wir sind.“

Und vielleicht finden sich ja genug fußballbegeisterte Sinti und Roma in Deutschland, die bis zur Europeada 2028 ein eigenes Team auf die Beine stellen.

Text: Ralf Lorenzen
Foto: Die Roma-Nationalmannschaft aus Rumänien bei der EUROPEADA-Eröffnung. Bildnachweis: EUROPEADA/Rasmus Meyer

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