Die Südtiroler*innen und Zimbern wunderten sich etwas, als der Aufstieg zum Knivsberg schon nach knapp hundert Metern beendet war. „Berge sehen bei uns etwas anders aus“, schmunzelte der Mannschaftskapitän der Südtiroler Männermannschaft Martin Ritsch. Jan Riber Jakobsen, der Bürgermeister der Kommune Apenrade, muss diese Verwunderung geahnt haben und sorgte für Heiterkeit, als er die über 1.000 Gäste des Kulturtages der EUROPEADA auf den „Rocky Mountains Südjütlands“ begrüßte. Zum offiziellen Teil gehörten außerdem die Begrüßungen von Jasper Andersen, Vorsitzender des Deutschen Jugendverbandes für Nordschleswig (DJN), FUEN-Vizepräsident Gösta Toft sowie EUROPEADA-Projektleiter Ruwen Möller.
Die Toten Hosen auf Friesisch
Die bunte Kulisse aus 24 unterschiedlichen Trikotfarben sorgte schon zu Beginn in der Freilicht-Arena für eindrucksvolle Fotomotive. Die erste Laola-Welle schwappte durch die eng besetzten Ränge, als noch kein Wort gesprochen und kein Ton gespielt worden war. Den musikalischen Auftakt machte die fünfköpfige Nordschleswiger Band Sihav mit einer Mischung aus Rock- und Popmusik sowie anspruchsvollen Texten. Den ersten Siedepunkt erreichte die Stimmung als die Sängerin Inken Stamer das Lied „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen auf Friesisch intonierte.
Im Unterschied zum letzten Europeada-Kulturtag 2022 in Kärnten präsentierten sich die 24 teilnehmenden Minderheiten nicht nacheinander auf der Bühne, sondern in einer eigens aufgebauten Zeltstadt. Beim Schlendern gab es viel zu schmecken, hören und sehen: Käse aus Lusern, Gewürzgurken aus der Lausitz, Schinken aus Ungarn, Wodka aus Oberschlesien, Pálinka aus Rumänien, Wein aus Italien, dazu jede Menge Informationen.
Viele lächelnde Gesichter
Vor den Zelten versammelten sich immer wieder kleine Menschtrauben zum Singen und Tanzen. Bei den Slowenen aus Italien heizte eine Trompete ein, bei den Deutschen aus Ungarn eine Gitarre und bei den Roma aus Rumänien sorgte der DJ für Partystimmung, die auch die Ladiner*innen im Nachbarzelt ansteckte. In zwei großen Zelten wurden alle Gäste mit leckeren Hamburgern zu versorgt. Insgesamt waren an diesem Nachmittag etwa 70 Freiwillige im Einsatz.
„Es war genau die Stimmung, die wir haben wollten: eine lockere Atmosphäre, viele lächelnde Gesichter, die Trachten, das Bunte und Vielfältige“, sagt DJN-Leiter Thore Naujeck, der gemeinsam mit dem Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) das Fest organisiert hat. „Die Spieler und Spielerinnen haben ihre Nationallieder gesungen und sich selbst gefeiert.“
Ein Berg mit großer Bedeutung
Der Knivsberg ist nicht nur das kulturelle Zentrum der deutschen Minderheit in Nordschleswig. Er hat auch historisch eine große Bedeutung für die Minderheit. „Es gibt kein Kind, das die deutschen Einrichtungen besucht hat und nicht weiß, was der Knivsberg ist“, sagt Naujeck. Bis 1945 stand hier der 46 Meter hohe Bismarck-Turm, der kurz nach Kriegsende von dänischen Widerstandskämpfern gesprengt wurde. Die Geschichte der Knivsbergfestes, zu dem sich jedes Jahr etwa 4.000 Menschen treffen, geht bis in das Jahr 1893 zurück. 2024 musste es wegen einer Unwetterwarnung ausfallen - umso mehr freuten sich die Nordschleswiger und Nordschleswigerinnen, jetzt die Europeada hier zu Gast zu haben.
Die deutsche Minderheit besteht seit der Volksabstimmung im Jahre 1920 und umfasst heute etwa 15.000 Mitglieder aus einer Gesamtbevölkerung von 250.000 in Nordschleswig. „Die EUROPEADA stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Minderheit“, sagt Naujeck, der zum zweiten Mal im Team der Nordschleswiger teilnimmt.
Abschlussbild mit Fördeblick
Neben den Zelten war am Mittwoch eine Extra-Bühne aufgebaut, auf der einige Minderheiten sich musikalisch präsentierten. Stars des Nachmittags waren die Sorben, deren traditionelle Trachten schon vorher für Aufsehen gesorgt hatten. „An ihrem Höhepunkt war die Stimmung, als ausgelassen zu Annemarie-Polka getanzt wurde“, schreibt der Nordschleswiger. Neben der Bühne konnten die Anwesenden ihr Können in Fußball-Dart, Bumper Ball und weiteren Spielen austesten.
Ganz zum Schluss wurde das Fotomotiv vom Beginn noch getoppt, als sich alle Teams am Berg niederließen und auch hier die Welle machten. Der wunderbare Blick auf die sonnenbeschienene Apenrader Förde versöhnte dann endgültig alle, die sich vom Knivsberg mehr Höhenluft versprochen hatten.